Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
mein Name ist Florian Lutz ich bin Inhaber der Bäckerei Lutz, einem familiengeführten mittelständischen Betrieb mit 13 Filialen und 230 engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Region.
Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, heute zu sprechen – nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Mensch, der Verantwortung trägt: für ein traditionsreiches Handwerk, für Arbeitsplätze, und für Nachhaltigkeit, für meine Famillie und die, meiner Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen und für Ludwigsburg.
Aber ich bin heute hier, weil ich ernsthafte Sorgen habe. Und weil ich finde, dass wir aufpassen müssen, nicht mit gut gemeinten Ideen Schaden anzurichten, den wir so nicht wollten.
Es geht um die Verpackungssteuer – nach dem sogenannten „Tübinger Modell“. Ein Vorhaben, das auf den ersten Blick sinnvoll erscheint. Weniger Müll, weniger Einweg – das klingt gut. Doch der Teufel steckt, wie so oft, im Detail.
- Wer trägt die Last? Zuerst der Mittelstand und dann der Verbraucher.
Ich sage das mit aller Deutlichkeit: Diese Steuer trifft nicht die Großen. Sie trifft uns.
- Wir, die täglich von Montag bis Sonntag um 0:30 Uhr die Öfen anschalten.
- Wir, die noch ausbilden
- Wir, die lokal einkaufen, regionale Wertschöpfungsketten aufbauen und das Handwerk bewahren.
Wenn wir für jeden Kaffeebecher, jeden To-Go-Snack, jedes Papierpäckchen eine Steuer zahlen sollen, dann kommen wir an unsere Grenze. Nicht, weil wir uns gegen Nachhaltigkeit stellen – sondern weil wir diese Steuer nicht sinnvoll, nicht fair und nicht praxistauglich finden.
- Doppelbesteuerung
Warum finde ich diese Steuer nicht fair?
Ganz einfach: Wir werden bereits mehrfach für Verpackungen und deren Entsorgung besteuert ganz nach dem Verursacherprinzip, was auch völlig korrekt ist.
Nehmen wir z.B. die besagten Kaffeebecher. Hier wird nicht nur der Preis für den Kaffeebecher fällig, sondern unser Lieferant stellt uns dafür auch eine gesonderte Entsorgungsgebühr in Rechnung. Auf beides fällt hier jeweils nochmal die Mehrwertsteuer an.
Dazu kommt nun, dass für Kaffeebecher (weil Sie innen mit Plastik beschichtet sind) noch eine zusätzliche Litteringgebühr nach dem EWKFondsG bezahlt werden muss. Auch darauf wieder Mwst.
Nun soll DAZU auch noch einmal eine Gebühr i. H. v. 0,50€ auf jeden Becher fällig werden und auch hier wieder MwSt. oben drauf, was für den Verbraucher dann 0,60€ macht.
Wenn Sie mitgezählt haben, ist der Kaffeebecher dann also insgesamt SECHS MAL für die Entsorgung besteuert worden. Wird der Kaffeebecher dann im Büro oder zu Hause entsorgt und nicht, wie im Antrag angenommen, auf der Straße, dann werden auch dafür wieder Entsorgungsgebühren erhoben nebst Steuern.
Meine Damen und Herren, ich könnte meine Argumentation eigentlich an dieser Stelle schließen, denn bereits hier muss klar sein, dass wir damit von einer angestrebten Entbürokratisierung und Steuerentlastung unserer Betriebe und unserer Bürgerinnen und Bürger, die völlig falsche Abzweigung genommen haben.
Ich möchte Ihnen aber gerne noch aufzeigen, wie die Realität mit einer solchen Steuer aussehen würde.
- Mehrwegverpackungen
Wie ist denn aktuell der Status Quo zum Thema Mehrwegverpackung?
Dort kann ich Ihnen berichten, dass wir bereits auf einem sehr guten Weg sind, völlig ohne Zutun einer Steuer. Denn wir als Unternehmen selbst haben ein großes Interesse daran, unseren Kunden Mehrwegalternativen anzubieten. Aus Nachhaltigkeitsgründen aber auch ganz einfach aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Zu diesem Zweck haben wir Becher und Brotbeutel in den Verkehr gebracht und an unsere Kund*innen ab einem bestimmten Einkaufswert verschenkt. Mit dem Becher (übrigens auch mit JEDEM ANDEREN MERHWEGBECHER, wir bestehen nicht auf unser Branding) bekommt jeder Kunde*in 10% Nachlass auf das Heißgetränk darin. Mit dem Beutel 3% auf den gesamten Einkauf bei Brot und Brötchen.
Zusätzlich pushen wir diese Aktionen als Prämie in unserer App. Dieses Angebot wird von vielen Kund*innen bereits genutzt und es werden immer mehr.
Meine Damen und Herren DAS ist der richtige Weg. Positive Anreize setzen, statt weiterer Auflagen und Bürokratie.
So ein Becher ist in großen Mengen übrigens für deutlich unter 0,50€ zu beziehen. Was also passiert ist, dass diese Becher im Zweifel einfach ausgegeben werden. Steuereinnahmen gleich null, Müllvermeidung gleich null, weil dann eben diese Becher weggeworfen werden.
- Unscharfe Abgrenzungen
Ich habe mit meinem Kollegen in Tübingen telefoniert. Vorneweg: Seine Haltung deckt sich mit meiner. Was dieses System aber wirklich kompliziert und zu einem undurchsichtigen Bürokratiemonster macht, ist die tägliche Handhabung. Kauft eine Kund*in eine Butterbrezel ist diese steuerfrei, soweit, so einfach. Wird ein fertiger Flammkuchen gekauft, ist dieser ebenfalls steuerfrei. Erwärme ich diesen Flammkuchen aber kurz vor Herausgabe im Ofen, ist dieser plötzlich steuerpflichtig. Kaufe ich ein Stück Spinatquiche, erstmal steuerfrei, möchte der Kunde diesen warm, steuerpflichtig. Schnitzelbrötchen als belegtes Brötchen in der Kühltheke, steuerfrei, mit einem warmen Schnitzel aus der Warmhaltetheke, steuerpflichtig. Jetzt die Gretchenfrage: Müssen wir nun alle Backwaren, bevor wir sie verkaufen, auskühlen lassen? Also berauben wir uns unserer warmen Brezel, welche frisch aus dem Ofen kommt und auf den Frühstückstischen vieler Familien landen? Die Frage klingt zynisch, ist aber mit vollem Ernst zu stellen.
Das selbe gilt für die Abgrenzungen zwischen Drive In, Lieferung und Mitnahme im Geschäft.
- Mitnahme: Mit Steuer.
- Fahre ich durch den Drive In: Ohne
- Lasse ich es mir liefern, wieder ohne Steuer.
Das Ganze lässt sich jetzt ad absurdum treiben, indem ich als Kunde einfach Lieferando, Wolt oder Uber Eats beauftrage, mir die Waren an meinen Laden liefern zu lassen, direkt an den Marktplatz, auf welchem der Müll dann wieder landet. Das selbe kann mit der Bärenwiese, dem Akademiehof und dem Arsenalplatz so passieren. Einfach ein Hausnummer direkt am Platz angeben und das ganze läuft.
- Wettbewerbsverzerrung
Abschließend möchte ich noch auf die Wettbewerbsverzerrungen durch die Steuer und die wirtschaftlichen, aber auch ökologischen Folgen hinweisen. Wir betreiben Standorte in Ludwigsburg und 3 angrenzenden Gemeinden. Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in Hoheneck und möchten morgens ihren Kaffee und den warmen Snack auf die Hand mit nehmen auf dem Weg ins Büro. Der Gaumentanz ist Luftlinie nur ungefähr 2000m entfernt und erhebt keine Steuer, der Einkauf wird also 1,20€ günstiger, 0,60€ jeweils für Kaffee und Snack und bietet außerdem ausreichend Parkplätze vor der Tür. Was denken Sie, wohin wird die Entscheidung fallen?
Das selbe gilt natürlich analog für die Innenstadt.
Nicht nur, verliert Ludwigsburg an Kaufkraft an andere Gemeinden, zudem werden unnötig Abgase und CO2 produziert, für die Fahrt zum Drive In z.B. nach Kornwestheim, der McDonalds dort wird sich die Hände reiben.
Zudem kommt auch hier wieder ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand auf uns zu, da wir alle Filialen und alle Produkte ja nun nach Standort abgrenzen und ausweisen müssen, damit die Steuer veranlagt werden kann. Dazu kommt der Kontrollaufwand durch die Stadt, ob die Veranlagungen auch stimmen, der in keiner Berechnung ausgewiesen wird.
Meine Damen und Herren, liebe Verwaltung ich kann Ihnen nur dazu gratulieren, dass Sie ein Hearing in dieser Form abhalten, denn das ist der einzig richtige Weg einen Einblick in die echten, realen und täglichen Herausforderungen der Wirtschaft zu bekommen und von denen zu hören, die diesen Unfug später umsetzen müssten.
- Was wir stattdessen brauchen
Ich bitte Sie: Gehen wir den richtigen Weg – einen gemeinsamen, konstruktiven Weg. Was wir brauchen, ist nicht Strafe, sondern Unterstützung:
- Förderprogramme für Mehrweg-Systeme, wie wir sie anbieten, damit sich auch kleine Betriebe beteiligen können
- Flächendeckende Rückgabe-Infrastruktur, die wirklich funktioniert
- Bildungskampagnen, die das Verhalten der Verbraucher*innen nachhaltig beeinflussen
- Und nicht zuletzt: Einheitliche Regeln – keine kommunale Kleinstaaterei
Wir wollen unseren Beitrag leisten – für eine saubere Umwelt, für eine nachhaltige Zukunft. Aber wir wollen das mit Ihnen zusammen tun, nicht gegen unsere Kundschaft, nicht gegen unsere Betriebe.
Verpackungssteuer? Ja – wenn sie durchdacht, fair und wirksam ist. Aber nicht so. Nicht jetzt. Nicht in dieser Form.
Ich danke Ihnen.