Zur Ehrung darf er das erste Mal eine Rede vor der Versammlung am Rednerpult des Oberbürgermeisters halten. Seine Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister M. Knecht
und Bürgermeister*innen Frau Schmetzer, Frau Schwarz und Herr Mannl, Sehr geehrte Damen und Herren,

Alles hat seine Zeit auch Abschiednehmen hat seine Zeit.
Es ist aber auch Zeit, dass ich heute endlich zum ersten Mal seit 25 Jahren hier am Rednerpult stehen darf.
Ich hoffe, dass ich heute mit meiner Rede allen 18 Gemeinderät*innen die heute ausscheiden gerecht werde und keinen enttäusche.
Die letzten 20-25 Jahre waren für die Stadt gute Jahre. Ludwigsburg konnte bis 2020 aus dem Vollen schöpfen. Die Steuereinnahmen stiegen ständig und es wurde kräftig investiert für die Zukunft.

Das Stadtentwicklungskonzept das sich seit 2003/2004 ständig weiterentwickelt hat mit 12 sinnvollen Handlungsfeldern bildet den Rahmen für die zukünftigen, räumlichen Perspektiven.
Es wurden Leuchttürme gebaut mit sehr hohen Standards.
Ich erinnere an das Stadtmuseum MiK, Scala, verschiedene Kinder- und Familienzentren, den Schulcampus, verschiedene Kita´s und Schulen in den Stadtteilen, das Campusbad, die Sporthalle Eglosheim und jetzt gerade die Oststadtsporthalle, ich erinnere an den Westausgang am Bahnhof mit der MHP-Arena und einem Hotel, oder die tolle Umwandlung der Kasernen zu Bürogebäuden und Kulturstätten sowie die Generalsanierung der 4 Torhäuser, um nur einige zu nennen.
Aber auch die neuen Wohngebiete haben Ludwigsburg als junge und dynamische Stadt nach vorne gebracht. Dazu gehören z.B. die Hartenecker Höhe, Rotbäumlesfeld und in Zukunft Fuchshof ebenso wie die Jahnstr. in Poppenweiler und Schauinsland in Neckarweihingen.
In der Ära unter OB Spec 2003-2019 wurden unheimlich viele Investitionen umgesetzt.
Vielleicht auch zu viel auf einmal, das hat die Verwaltung in Wallung gebracht, und oft auch an die Grenze ihrer Leistungskapazität.Bei all den Investitionen und steigenden Aufgaben sind nicht nur die Personalkosten sondern auch die Folgekosten wie Abschreibungen und Zinsen enorm angewachsen.
Durch die Pandemie in den letzten Jahren und den Krieg Russlands auf ukrainischem Boden hat sich eine deutliche Zeitenwende ergeben, die Zeiten des Wachstums, aber
auch des Wohlstands auf hohem Niveau sind vorbei.

Jetzt gilt es den Begriff Daseinfürsorge neu zu denken. Dies bedarf einer lernenden und leistungsfähigen Verwaltung, die wirtschaftlich und innovativ die Pflichtaufgaben realisiert und klare Prioritäten definiert. Dies gilt auch für den Gemeinderat.
Bauvorhaben wie z.B. allein das BZW bindet in den kommenden 12 Jahren 15-18 Mio. der verfügbaren Finanzmittel, hinzu kommt z.B. der ZOB oder der Arsenalplatz der bereits im Bau ist.
Viele Projekte wie das Frank-Areal, Generalsanierung Forum oder das Bäderkonzept stehen ebenso in den Sternen wie die Stadtbahn durch die Innenstadt, oder der Radschnellweg nach Waiblingen, wobei die beiden zuletzt genannten Vorhaben mangels Finanzmittel und aufgrund der Kosten-Nutzenrechnung mehr als fraglich sind und die Innenstadtbahn aus meiner Sicht nicht gebraucht wird.

Hohe Ausgaben sind auch notwendig für Brandschutz, Klimaschutz und Wärmeplanung. Dies kann auch eine finanziell gut aufgestellte Stadt Ludwigsburg nicht allein stemmen, neben hohen Zuschüssen durch Land und Bund kommt es auch auf die Leistungskraft unserer Unternehmen an, Steuererhöhungen alleine sind dabei keine Lösung.

Die Aufgaben der Verwaltung und damit auch die bisherigen Personalkosten müssen dringend reduziert werden. Die anstehende Digitalisierung muss auch in den Köpfen der Mitarbeiter stattfinden.
Dazu gehört ein deutlicher Bürokratieabbau als Konjunkturspritze, hohe Bürokratie verursacht hohe Personalkosten und schmälert die Gewinne der Unternehmen.

Wir alle müssen weg von der Null-Risiko Mentalität. Die ständig steigende Regulierungen müssen ein Ende haben, das gilt auch für das europäische Parlament in Brüssel.
Ich persönlich bin froh, dass i.V. mit WiN-LB nun endlich eine externe Beratung mit eingeschaltet wurde die Anregungen und Erfahrungswerte von außen mit einbringt, wobei am Ende die Ergebnisse durch die Verwaltung und den G-Rat beurteilt und umgesetzt werden müssen.
Dazu bedarf es einer starken Führungsqualität an der Verwaltungsspitze angeführt von OB M. Knecht und den 3 Dezernent*innen Frau Schmetz, Frau Schwarz und Herr
Mannl und einer deutlichen Mehrheit im G-Rat.

Wichtig aus meiner Sicht sind auch die sogenannten weichen Faktoren wie Angebote in Sport, Kultur und soziale Einrichtungen. Auch Sauberkeit und Sicherheit gehören zu einer Wohlfühlstadt Ludwigsburg, ebenso wie Grünzonen, Aufenthaltsplätze und Parkraumangebote.

Bevor ich nun zu einer Haushaltsrede entgleise, möchte ich noch 8 Ratschläge an den neuen G-Rat und die Stadtverwaltung mitgeben:

1. Stützt die Demokratie mit einer neuen Zivilkultur auf Grundlage der Menschenrechte. Dazu gehört auch gegenseitiger Respekt, Wertschätzung und Anstand.

2. Liberale Demokratie muss auch zu schnellen Entscheidungen fähig sein, zu viele Diskussionen und wiederholt lange Redebeiträge verlangt von den Bürgern und G-Räten oft eine hohe Frustrationstoleranz ab

3. Hört den anderen zu, auch das führt zu Lernprozessen und zu Kompromissentscheidungen

4. Löst euch von ideologischen Grundsätzen hört auf eure innere Stimme und folgt dem gesunden Menschenverstand.

5. Akzeptiert demokratische Entscheidungen.

6. Pflegt die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung bleibt aber auch kreativ kritisch und unabhängig, zum Wohl der Stadt.

7. Von der Stadtverwaltung wünsche ich mir künftig den Gemeinderat noch mehr und rechtzeitig an Abwägungsprozessen zu beteiligen, damit der Erfahrungsschatz der Räte rechtzeitig in die Sitzungsvorlagen mit einfließt.

8. Die Verwaltung sollte den Bürgern mehr vertrauen und zutrauen, auch das führt zu Entbürokratisierung.

(Das sind keine 10 Gebote, aber für das Kopfkissen)

Am Ende gilt es nun für mich und meine 17 Kolleg*innen sich ehrenvoll zu verabschieden, ich persönlich habe meine Mission erfüllt.
Wir bedanken uns bei der Stadtverwaltung für die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit in den letzten Jahren und Jahrzehnten und wünschen den neuen Gemeinderät*innen viel Erfolg, ein gutes Händchen und viel Spaß im Ehrenamt für die
nächsten 5 Jahre und sagen nun mit einer Träne im Knopfloch
leise Servus

Reinhardt Weiss